Eine Reise.....fast nach Indien

Abenteuerbericht von Peter Wedam

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Kopie von BUS

Es war im Jahre 1974. Ich war 23 Jahre jung  so unternehmungslustig wie noch nie zuvor, und zählte mich zu der Sorte Mensch die ziemlich starkes Fernweh hatten und sehr abenteuerlustig waren..

 

Dadurch daß ich im sogenannten  Flower-Power-Zeitalter aufgewachsen war, wo jeder der etwas auf sich hielt, lange Haare hatte und sich wie ein Hippie kleidete war auch ich ein begeisterter Hippie, für den das herumgammeln zumindest zu einer Freizeitbeschäftigung gehörte. Denn, solide wie einer sein mußte der auf einer Bank die Kundschaft bediente, war auch ich unter der Woche am Tag ordnungsgemäß gekleidet und habe nur nach Feierabend und vor allen Dingen am Wochenende die zerrissene Jeans  und das passende, bunte Hemd angezogen.  Der Schlapphut, die runde Nickelbrille wie John Lennon und natürlich Turnschuhe gehörten damals unbedingt zu meiner Freizeitkluft.

Nachdem ich  als gelernter Bankkaufmann bereits  ein  Jahr in der Schweizer Hauptstadt Zürich gelebt  und auch gearbeitet hatte - nämlich bei der Zürcher Kantonalbank, ist mir zusammen mit 2 Freunden, dem Michael Gerhardt, (genannt "Mike") der ein Jahrgänger von mir ist und dem Lucio, einem Italiener, der in Spaichingen aufgewachsen war die Idee gekommen, einen längeren Auslandstrip in den fernen Osten mit einem VW-Bus zu unternehmen. Die Idee, eine derartige Reise zu unternehmen entstand nicht aus einer großen Planung heraus, sondern kam in einer sogenannten "Bierlaune" zustande.

Irgendwann war es dann soweit, ich glaube ich war es, der auf die Idee kam eine "Indienreise" zu unternehmen. Ich hatte darüber schon einiges gelesen und zwei bekannte aus Spaichingen waren erst ein paar Wochen zuvor von einem derartigen Trip zurückgekehrt.

Noch war nichts konkretes ausgemacht nur hatte man sich immer mehr ausgesponnen, wie man eine derartige Reise gestalten, finanzieren und letztendlich durchführen könnte. Großartige Ersparnisse hatte keiner von uns so daß es ziemlich lange gehen sollte, bis wir ein Unternehmen dieser Art, wie wir es vorhatten, in die Tat umsetzen könnten. Aber irgendwann war dann aus unseren Träumereien Wirklichkeit geworden. Von einem Tag auf den anderen hatten wir uns dann endgültig dazu entschieden: Der Trip nach Indien sollte so bald wie möglich stattfinden.

Nun fingen wir an genauere Pläne zu schmieden. Ein Fahrzeug mußte her und zwar hatte man sich einen alten VW-Bus vorgestellt, welchen wir dann reisetauglich umbauen könnten. Diesen hatten wir auch nach kurzer Suche bei einem Bekannten von uns, dem Egon, gefunden. Egon, ein Schrotthändler hier am Ort, konnte uns ein reisetaugliches Fahrzeug, welches noch ein paar Monate TÜV hatte, kostengünstig überlassen. Für dieses Fahrzeug hatten wir drei einige Tage kostenlos bei Ihm gearbeitet, bis wir den Kaufpreis von DM 800 abgearbeitet hatten. 

Wir haben als Dreingabe und als Spende sogar noch einen gebrauchten VW-Motor bekommen welcher uns irgendwann einmal von Nutzen sein sollte. Die Gelder für unsere Reise besorgten wir Stück für Stück durch die Teilnahme an Flohmärkten und den Verkauf von  persönlichen Dingen..

Zwischenzeitlich hatte sich etwas geändert. Durch Zufall kam der Mike in Kontakt mit einem Betriebsleiter der Firma Hengstler "Gleitzeit" aus unserer Nachbargemeinde Aldingen. Dieser war von unserer Reiseidee dermaßen angetan, daß er sich spontan zu einer größeren Geldspende entschloß, wenn wir an unserem VW -Bus etliche Werbeaufkleber der Firma Hengstler-Gleitzeit mit den Aufdruck "I Like Gleitzeit" versehen würden.

Gesagt getan, wir hielten unseren Teil der Vereinbarung ein und dieser Betriebsleiter den seinigen, so daß wir wieder einen Geldbetrag auf unser Sonderkonto einzahlen konnten.  Jetzt  kam natürlich noch der besondere Gag: Die Firma Hengstler Gleitzeit hatte in Thailand einen Zweigbetrieb und mit diesem Zweigbetrieb hatte sich dieser besagte Betriebsleiter der Aldinger Firma in Verbindung gesetzt. Auch diese fanden eine derartige Werbung mit dem VW-Bus als sehr werbewirksam und legten so noch einen drauf: Sollte wir mit diesem Bus bis nach Thailand kommen, wären wir dort als Ehrengäste dieser Firma eingeladen. 2 Wochen in einem Hotel auf Kosten der Firma und ein paar Rundreisen und Rundflüge waren uns durch ein spezielles Schreiben welches hier in englisch aufgesetzt war, zugesagt. 19-10

Dieses Schreiben war natürlich bei unserem Reisegepäck dabei.

Nun war also klar: Der sogenannte "Trip nach Indien" wurde ausgeweitet zu einem " Trip nach Thailand". Unser Sparbuch mit dem exotischen Titel:  " Sonderkonto "Thailand" bei der Volksbank füllte sich langsam aber sicher.

Wir schrieben den 28.Mai 1974 und zugleich war es der Tag unserer Abreise. Nachdem wir uns noch mit diversen Ersatzteilen für das Fahrzeug, einem sogenannten "Carnet de Passages", einer Genehmigung für die Einreise in asiatische Länder mit einem PKW, mit diversen Impfungen, internationalen Führerscheinen einer Streckenbeschreibung durch den ADAC , EPAS von der Bundeswehr usw . versorgt hatten, ging dann die große Reise los. Natürlich plünderten  wir noch unser Sonderkonto und 4030,57 DM Bargeld gings dann endgültig los in Richtung Italien.

In Luco die Marsei, der Heimatstadt unseres "Italieners" wurde noch ein 3-Täger Aufenthalt durchgeführt, wobei dieser dann noch so nebenbei geheiratet hatte. Dann gings weiter an der Adriaküste entlang bis Brindisi. In Brindisi charterten wir dann eine Autofähre  nach Griechenland.  Über die Insel Korfu landeten wir wohlbehalten in Igomeniza. Eine Fahrt quer durch die griechischen Berge führte uns dann in Richtung türkische Grenze. Unterwegs hatte wir noch einen trampenden Professor mitgenommen der uns sehr nützlich war, da dieser uns intensiv auf die türkische Mentalität und Gefahren in der Türkei vorbereitete.

Das nächste Ziel war dann Istanbul. 4_p2Eine Fahrt über die einzige einigermaßen befahrbaren Hauptverbindungsstraße. Nach 4 Tagen Aufenthalt in der größten Stadt der Türkei mit besuchen des berühmten Bazars und der Besichtigung  der Blauen Moschee und der Hagia Sophia  und weiterer Sehenswürdigkeiten die uns unser "Professor" aufdrängte ging die Reise dann weiter nach Ankara.

 

Der Besuch des Mausoleums von  Kemal Atatürk war reine  Nebensache denn ein  WM-Spiel gegen die ehemalige DDR wurde in einem Lokal live übertragen was für uns Fussball-Fans natürliche wichtiger war. 13_p2

Die besseren Strasse die uns vom ADAC vorgeschlagen wurden, führten nicht quer durchs Land in Richtung persische Grenze, sondern hoch quer durch die türkischen Berge ans Schwarze Meer nach Samson. Wie da die anderen Strasse wohl aussehen würden hatten wir uns kaum vorstellen können, als wir über eine "Schlaglochpiste " das Schwarze Meer erreichten.  Über Trapzon gings dann wieder landeinwärts nach Erzurum. Unser Bus wurde schon arg gefordert und es machten sich doch schon einige Geräusch bemerkbar.  Weiter bis Agri  in Richtung persicher Grenze passierte es dann, das Getriebe an unserem Bus gab seinen Geist auf und wir mussten uns notgedrungen in die nächste 200-km-entfernte "Werkstatt"  nach Erzurum zurückschleppen lassen.Kopie von Supertrio1

Dass dieser Aufenthalt in der Privinzhauptstadt Erzurum, nahe der russischen Grenze ein paar Wochen dauern sollte konnten wir nicht ahnen. Schuld war zum einen, daß wir ein neues Getriebe benötigten, welches durch einen Schutzbrief beim ADAC von Deutschland eingeflogen wurde und Hauptgrund war, daß damals ein Kriegszustand um die Insel Zypern zwischen der Türkei und Griechenland ausbracht, wobei alle Züge nur für Militärische Güter in Richtung Istanbul benutzt wurden. Unser Getriebe schlummerte zuerst in Istanbul auf dem Flughafen und dann in Ankara auf dem GüERZURUMterbahnhof. Nach Wochen blieb nichts anders übrig als  das Getriebe im 1200 km entfernten Ankara abzuholen. Was wir in diesen Wochen in Erzurum erlebten, würde allein einen ganzen Roman füllen.

Nach erfolgter Reparatur ging es dann endlich mit einigen finanziellen Einbußen weiter unter dem Berg Ararat vorbei in den Iran. Einem mehrtägigen Aufenthalt in Teheran,  der Hauptstadt und dem Domizil des damaligen Schah von Persien fuhren wir weiter durchs persische Hochgebirge zum Kaspischen Meer und von da aus weiter nach Meshed der Hauptgrenzstadt an der afghanischen Grenze. In Meshed  mussten wir uns auf dem afghanischen Konsulat ein Visum für die Einreise nach Afghanistan besorgen. Dies war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, so daß man erst nach 3 Tagen in das Land einreisen konnte. Es war wie die Fahrt mit einer Zeitmaschine. Plötzlich war man vom relativ  modernen Iran  um Hunderte von Jahren zurückversetzt.  Die nächste Station sollten dann auch leider die letzte sein. Wir nisteten uns in  Herat für einige Wochen in einen kleinen Pension ein wo wir noch einige Abenteuer erlebten.  Dort entschieden wir dann, daß  wir aufgrund der  mageren finanziellen Mittel, die wir wegen unseres Getriebeschaden´s und  dem langen nicht geplanten Aufenthalt in der Türkei hatten  unseren Bus verkaufen und die Rückreise in die Heimat antreten werden.

Gesagt getan, ein Käufer war bald gefunden nur war das Problem, daß der  Bus noch im Ausweis vom Mike eingetragen war und wir somit eine Übergabe an den neuen Besitzer, einem Amerikaner der wegen einem Haschisch-Schmuggel im Gefängnis von Herat saß, vornehmen  mussten. Das grosse Zittern ging los, da wir diesem Ami in keinster Weise trauten. Von Lucio, unserem italienischen Reisegefährten hatten wir zwischenzeitlich noch so ganz nebenbei erfahren, daß seine Frau ein Kind erwartete. Es ergab sich, daß ein schweizer Globetrotter, der mit deinem Bus auf der Rückreise von Nepal  war und in Herat einen zwischenstop machte uns anbot, eine Person mit auf den Rückweg zu nehmen. Wir überredeten Lucio aufgrund seiner familiären Situation, mit dem Schweizer bis nach Ankara mitzufahren wo wir dann einen Treff ausmachten wie und wo wir uns dann wieder treffen sollten.

An der  Grenze wurden wir von den afghanischen Zöllnern durchgereicht an die Beamten der persichen  bzw iranischen Zollstation. Unser Bus wurde zerpflückt und untersucht bis in die Grundmauern und der Arsch ging uns Eins zu Tausend, da ein Zollhund ziemlich nervös um uns und unseren Bus herumschnüffelte. Wir hatten immer mehr bedenken, daß der Ami wieder versuchte, Haschisch über die Grenze zu schmuggeln und dazu uns und unseren an Ihn verkauften Bus benutzte. Nachdem die Zöllner unsere Lenkung zerlegt, die Matratzen aufgeschlitzt das Ersatzrad demontiert und uns alle bis auf die Unterhosen untersucht hatten konnten wir nachdem wir unsere Hosen wieder angezogen hatten die Grenzstation passieren. Der Bus war nun aus dem Pass ausgetragen und wir trennten uns im 350 km von der Grenze entfernten  Meshed  wieder von dem Ami. Dieser zeigte uns mit einem Grinsen im Gesicht noch zum Abschied, wie und wo er Haschisch im Bus ohne unser Wissen versteckt hatte. Wir hatten großes Glück, daß dies nicht an der Grenze gefunden wurden.  In solchen Fällen wären damals 10- 15 Jahre  in einem persischen Gefängnis auf uns zugekommen. Ich  besorgte dem Ami noch kurzerhand aus einem Getränkeladen  ein wenig Eis, damit dieser sich das blaue Auge, das Mike ihm zugefügt hatte etwas  kühlen konnte.

Mit einem Taxi, das wir zusammen mit 3 iranischen Studenten  gechartert hatten ging es dann zurück ins 1200 km entfernte Teheran und von dort aus nach einem 3-tägigen Aufenthalt mit einem Reisebus bis in die Türkei nach Ankara. In Ankara verweilten wir noch einige Tage in einem Hotel. Dort lernten wir einen türkischen Geschäftsmann kennen  für den wir von Deutschland aus gebrauchte Traktoren einer bestimmten Marke suchen sollten um diese dann in die Türkei zu exportieren. Wir witterten ein gutes Geschäft und hatten, damit wir schnellstmöglich wieder in Deutschland sein konnten, Euroschecks auf der Bank eingelöst um 3 Flugticket´s nach Deutschland zu kaufen. Wir ließen uns das Geld in türkischen Lira auszahlen und bewegten uns schnurstracks zum Flughafen und die 3 Ticket`s zu kaufen. Das war dann gar nicht so einfach, denn mit türkischem Bargeld konnten wir diese nicht kaufen, da wir keinen Nachweis besaßen, wie und woher wir das Geld hatten.

So mussten wir auf dem Flughafen einen Schwarzmarkthändler suchen, der uns die ganzen türkischen Lire in US-Dollar umtauscht mit welchen wir dann mit einigen finanziellen Einbussen, dann endlich 3 Flugtickets mit der "türkisch Airlines" nach Istanbul kaufen konnten. Einem abenteuerlichen Flug mit einer alten Propellermaschine der "türkisch Airlines" folgte ein angenehmer Flug von Istanbul mit der Swiss-Air nach Zürich . Die allerletzten "Mäuse" die wir noch in der Tasche hatten reichten für uns drei gerade noch für eine Bahnkarte nach Tuttlingen. Die 14 km nach Spaichingen mussten wir dann noch mit unserem Handgepäck per Anhalter absolvieren, da nun wirklich keine Mark mehr in unserem Taschen war. Zurück blieb ein unvergessliches Abenteuer mit einem dennoch glücklichen Ausgang und 3000 Mark Schulden bei der Bank die wir zu dritt dann noch abstottern  mussten.